MYRA
 Neulich

Neulich in Squärdrumen

Im folgenden gibt es kurze Szenen, welche die aktuellen Ereignisse in Squärdrumen in der jeweiligen Zeit schildern.
Die ersten Monate (Sommer 417 n.P.)
Die ersten Monate, Teil 2 (Herbst 417 n.P.)
Dachsmond 418 n.P.
Adlermond 418 n.P.
Katzenmond 418 n.P.
Drachen- Wolfsmond 418 n.P.
Widder- und Falkenmond 419 n.P.
Wolfsmond 420 n.P.
 

 Die ersten Monate (Sommer 417 n.P.)

Tief unter der Erde, eine weite Strecke entfernt von den Gängen Squärdalons beugten sich zwei Squärkin über eine Zeichnung. Einer von ihnen war jung und kräftig, neben seinem Schwert trug er eine Peitsche im Gürtel, die schon bei manch einem Sklaven Narben hinterlassen hatten. Der andere war offensichtlich nicht mehr der jüngste, sein braunes Fell hatte seinen Glanz weitgehend verloren und er mußte sich nahe an das Pergament beugen, um noch alle Einzelheiten zu erkennen.

 "Wir werden unser Ziel bald erreicht haben, Patriarch", bemerkte der junge Squärkin.
 "Richtig, mein Sohn, die Sklaven wurden wirksam angetrieben, wir werden den Zeitplan einhalten und der Ruhm des Tunnler-Stammes wird neu erblühen. Ist inzwischen klar wie es weitergehen soll?"

 

 "Nein, es wurde keine neue Richtung bekannt gegeben und wie es heißt verzögert sich die obermyrische Sicherung des Geländes."

 "Pah, als ob wir die je benötigt hätten. Welche Beutelratte ist für diesen Unsinn verantwortlich?"

 "Daehsquinn, Herr", antwortete der jüngere und sah sich panisch um.
 "Lang lebe Daehsquinn unser genialer Anführer, möge die Große Mutter ihn schützen und viele Squälin schenken!"

 

 * * * * *

In einem Zelt in den Trockenländern jenseits des Sumpfes, legte eine müde weiße Ratte ihre Zeremonienroben ab und machte es sich in einer Hängematte gemütlich. Nach einem kurzen Kratzen an der Zeltwand kroch ein ängstlicher Squärkin auf allen Vieren ins Zelt. Deutlich war dem Boten seine Nervosität anzusehen, Mitglieder niederer Stämme haben eben nicht oft Kontakt mit Squinns.
 "Oh Herr, ich bin vom Läufer-Stamm und überbringe Nachrichten von den anderen Heeren."
 Daehsquinn richtete sich auf und schaute dem Läufer einige Momente tief in die Augen, bis dieser verlegen den Blick abwandte.

 

 "Sprich"
 "Die Heere haben ersten Kontakt zu den Trockenländern im Süden und werden in nächster Zeit in die Wälder eindringen, Herr. Einzelne Späher behaupten sie haben in den Wäldern Squärkin gesehen, die dort lebten und sich sehr seltsam verhielten."

 "Sehr gut, die Anführen sollen nach Plan vorgehen und ihre Heere teilen, um möglichst viel Gelände unter Kontrolle zu bringen. Die Baumsquärkin sind mir bekannt, man soll sie in Ruhe lassen. Sonst noch was?"

 "Von Squärdalon sind wie befohlen weitere Stämme ausgerückt und sichern weitere Gebiete."

 "Gut, Du darfst gehen. Das nächste Mal wirst Du die Strecke einen Tag schneller schaffen, verstanden?"

 "Ja, oh Daehsquinn, verzeiht eurem unwürdigen Diener", stieß der Bote quietschend hervor. Während der Bote zitternd rückwärts raus kroch, lehnte sich Daehsquinn in seiner Hängematte zurück und grinste genüßlich.

 * * * * *

Fröhlich stapfte Gjie durch das größte Dorf seiner neuen Domäne, die Reldan genannt wurde. Der Krieger war von Daehsquinn höchstpersönlich mit der Verwaltung der ersten von Squärkin in den Trockenländern eroberten Gebieten beauftragt worden.

 Während Gjie die Häuser, insbesondere die Handwerksstätten, begutachtete, wurde er von seiner Leibgarde abgesichert. Viele benötigte er nicht, die Sklavenvölker waren recht ruhig, nachdem man wie üblich aus jeder Familie Geiseln zur Arbeit nach Squärdalon verschleppt hatte. Daehsquinn wird zufrieden sein, dachte sich Gjie, die Domäne ist befriedet und wird schon bald Steuern abwerfen. Das einzige was noch fehlte war ein wohlklingender Titel, Daehsquinn wartete diesbezüglich auf Vorschläge von ihm. Baron klang ganz nett, oder Verweser, vielleicht auch Rattenlord, wie die Haarlosen ihn nannten. Aber nein, ihm fiel da ein Wort ein welches seinen Anspruch zweifelsfrei ausdrückte, er würde einen Titel wählen, der sich vom Wort für Domäne ableitete: Dominant von Reldan!

 * * * * *

"Geht nun hinaus und erfüllt eure Aufgaben." Mit diesen Worten beendete Tifrin, Patriarch des Scouf-Stammes die Besprechung mit seinen Offizieren. "Und schickt mir meinen Schreiber rein!"

 Nach wenigen Minuten des Im-Kreis-Laufens betritt ein braun-weiß gefleckter Squärkin das Zelt, der mit Schrift und einer Tafel bewaffnet war.

 "Da bist Du ja, ich will einen Bericht an Daehsquinn fortfahren, notiere folgendes:
 Wie erwartet trafen wir, als wir uns dem Meer näherten, auf Küstensquärkins. Diese entsprechen vollauf den alten Beschreibungen. Sie sind nur von sehr geringer Intelligenz, können aber einfache Boote bauen und wären als Schiffsbesatzungen gut geeignet. Auffallend an unseren Verwandten und größter Unterschied ist eine Hautfalte am Bauch von Männern und Frauen, in der die Küstenbewohner ihre Squälin tragen bis sie groß genug sind, selbständig zu laufen. Interessanterweise scheint dieser Beutel auch beim Schwimmen zu helfen.

 Gezeichnet Tifrin von den Scouf.

 Dies schickst Du mit einem Läufer zu Daehsquinn, mit der Bitte um weitere Befehle."
 Mit einer angedeuteten Verbeugung verließ der Schreiber das Zelt. Draußen fügte er einen persönlichen Bericht über Tifrin hinzu und übergab die Schriftrolle an einen zuverlässigen Läufer.

 

 Die ersten Monate, Teil 2 (Herbst 417 n.P.)

 Gjie, der Dominant von Reldan, saß brütend auf seinem bescheidenen Thron. Eigentlich sollte er glücklich sein, denn seine Domäne hatte sich als größer erwiesen, als die alten Karten vermuten ließen. Aber über Gjie schwebte dadurch ständig die Gefahr der Absetzung, denn je größer das Gebiet, desto wahrscheinlicher wurde es, daß Daehsquinn einen der verdienten und treuen Patriarchen das Amt des Dominanten überließ. Positiv vermerken ließen sich, daß Gjie dieser Tage mehr Steuereinnahmen abtransportieren ließ, als ganz Squärdalon jedes Halbjahr erbringt.

 Vielleicht sollte er sich mit seiner Familie vom Stamm trennen und selbst Patriarch werden, aber das war nicht ganz ungefährlich, Swaqu würde sich das sicher nicht gefallen lassen.

 Ein Räuspern schreckte Gjie aus seinen Gedanken. "Was ist?", entfuhr es ihm zornig.
 "Verzeiht, Herr, wir haben die Befragung der Haarlosen beendet. Reldan hat sich vor wenigen Jahren mit den umliegenden Gebieten zusammengeschlossen, sie nennen sich "Freibund".

 "Damit ist es ja nun vorbei", sagte Gjie und brach in hämisches Gelächter aus, in das auch der Ankömmling glucksend einfiel.

 * * * * *

Gähnend rollte sich Daehsquinn aus seiner Hängematte. Die letzten Monate waren gut gelaufen, bald wird das Squärkin-Reich seine alte Größe erreichen, vielleicht sogar darüber hinaus. Die Angliederung von Milaf war gelungen, Chaladorn hatte sich wie gehofft zurückgezogen, nun blieb abzuwarten, ob sich der Herrscher verhandlungsbereit zeigt. Derweil stoßen die Squärkin-Heere weiter in den Hab-Wald vor und auch die neu entdeckten Gebiete im Phialae des Sumpfes scheinen sich widerstandslos zu fügen. Im Machairas wurde ein Staatsgebilde namens Freibund entdeckt, welches nur mit Gewalt gebeugt werden konnte. Doch noch immer ist die Eroberung dort unvollständig und was jenseits des Bundes liegt ist noch immer unklar.

 Bisher hatte sich Daehsquinn zurückgehalten und sich mit dem kleineren Heerhaufen im Hintergrund gehalten, doch da man nicht ahnen kann, wie Chaladorns Antwort lauten wird, ist es nun Zeit die Waage etwas zu Gunsten der Squärkin zu drücken, jeder noch so kleine Faktor kann wichtig werden.

 * * * * *

Krel eilte durch die Nacht, völlig außer Atem erreichte er das Zelt seines Meisters. Er kratzte kurz und trat dann ein, nach wenigen Schritten warf er sich auf den Boden.

 "Meister, es ist es alles vorbereitet."

 "Gut, Krel, ich komme", antwortet Daehsquinn.

 Die beiden Squinn verließen das Zelt und begaben sich zur nahen Lichtung. Dort hatte Krel bereits einen großen Kreis aus magischen Pulver gezeichnet und mit uralten Runen umgeben. Daehsquinn entzündete eine Fackel und umschritt den Kreis unter ständigen Murmel unverständlicher Formeln. Nach drei Umkreisungen entzündete er das magische Pulver, welches in Windeseile die ganze Lichtung und den umliegenden Sumpf erhellte, und stimmte einen schaurigen Singsang an. Über eine Stunde sang Daehsquinn und tanzte um den brennenden Kreis, bis er völlig erschöpft zu Boden fiel. Krel hielt sich währenddessen im Hintergrund, wußte er doch, daß sein Meister in diesem Zustand völlig unberechenbar ist. Mit Unbehagen registrierte er, wie einige Blätter der nahen Bäume schwarz wurden und abfielen, doch dabei blieb es glücklicherweise. Als Daehsquinn zu Boden fiel, schaffte ihn Krel wie zuvor befohlen zurück in das Zelt und kam dann wieder, um den inzwischen erloschenen Kreis weiter zu beobachten. Lange Zeit geschah nichts do plötzlich erschien ein Lichtstrahl im Kreis, der sich zu einem planaren Rechteck erweiterte. Durch ihn kroch vorsichtig eine Riesenratte, schnüffelnd in die neue Umgebung, hinter ihr verschwand das Licht wieder. Dieser Vorgang wiederholte sich in den folgenden Stunden an anderen Stellen des Kreises, auch aus der Erde krochen weitere Riesenratten. Schließlich waren rund zweihundert dieser Wesen im magischen Kreis versammelt und warteten bis sich ihr Meister von den Strapazen der Nacht erholt hatte.

 * * * * *

Lakut, Patriarch des Lakut-Stammes, schlenderte langsam durch das Lager seiner Truppen. Er hatte sich dicht in seinen Mantel gehüllt, um sich vor der Sonne zu schützen, die heute besonders grell durch das abnehmende Blätterdach des herbstlichen Hab-Waldes schien.

 Lakut vermißte den morgendlichen Nebel, das brackige Wasser und die festen Wände Squärdalons. Hier mußten sich die Männer zum Schlafen in den trockenen Boden eingraben, die Luft stank nach grünen Bäumen und die hiesigen Squärkin lebten mit den Haarlosen in Gemeinschaft!

 Die Welt veränderte sich um den alten Patriarchen, doch er änderte sich nicht mit. Das Squärkin-Imperium würde neu erstehen, doch wird er sich in der neuen Zeit zurecht finden?

 

 Dachsmond 418 n.P.

 "Squärkin! Diese 63 Krieger vom Yärn-Stamm sind angeklagt und für schuldig befunden worden, befehlswidrig Steuerzahler unseres geschätzten Nachbarreiches Chaladorn mißhandelt, beraubt und getötet zu haben. Die einfachen Krieger werden in die Sklaverei verkauft, ihre Anführer zum Tod in den Töpfen verurteilt.

 * * * * *

"Was soll das heißen, wir werden nicht mehr gebraucht?" brüllte der Krieger-Patriarch seinen jungen Schreibsquinn an.

 Der Schreiber zuckte erschrocken zusammen und sank auf die Knie. "Verzeiht Herr, aber die Nachricht besagte nur, daß wir dort nicht mehr gebraucht werden.

 "Ach so", brummte der Alte. "Wohin werden wir geschickt?"

 "Das steht noch nicht fest. Ich weiß nur, daß sich der Clanlord Ordomars nun endlich gerührt hat und an der Grenze nun doch keine Heere gebraucht werden. Vermutlich werden wir weiter hier patrouillieren <SQUEAK!!!>, verzeiht Herr, Ihr und Eure Krieger werdet patrouillieren, zumindest bis sicher ist, daß der Erste Heptan zu seinen Worten steht."

 Mit schmerzverzehrter Grimasse reibt der Squinn seinen Schwanz, auf den der verärgerte Patriarch getreten hatte.

 "Zu schade die Haarlosen in Ordomar haben Krieg an der anderen Seite ihres Reiches. Falls deren Herrscher unser Angebot eines friedlichen Zusammenlebens ablehnt hätte, wäre vielleicht ein schönes Scheibchen für uns abgefallen."

 * * * * *

Srfund vom Händler-Stamm, Daehsquinns Schatzverwalter, rieb sich vergnügt die Hände. Wieder war durch die neue Steuer eine ansehnliche Summe in die Kassen des Imperiums geflossen und Sfrund in der Gunst seines Herrn nach oben geschnellt.

 Das Reich wuchs ständig, war aber nur dünn besiedelt. Kurzerhand hatte Sfrund alles unbewirtschaftete Land zu Reichsbesitz erklären lassen und wenn ein Einwohner nun ein neues Stück kultivieren möchte, muß er dafür eine Steuer zahlen, die sogenannte Kultursteuer.

 * * * * *

Mit voller Wucht flog Krel in das Regal mit den Metalltiegeln, dessen Inhalt scheppernd auf den Boden aufschlug.

 "Beim Topf des Elif! Krel, das war der dritte Versuch diese Woche, langsam solltest Du doch kapieren, daß Du keine Chance hast", fluchte Daehsquinn.
 "Verzeiht, Meister! Bitte tut mir nichts, ich will euch für immer dienen. Bitte seit eurem Krel nicht böse."

 Quietschend und wimmernd rutschte der junge Squinn vorm Herrn aller Squärkin auf dem Boden, wobei er ganz nebenbei nach seinen Dolch grapschte und ihn wieder Umhang verbarg.

 "Böse? Nein, Du wärst kein wahrer Squinn versuchtest Du es nicht. Aber verschiebe Deine Ambitionen ein paar Jahre und lerne, was ich Dich zu lehren bereit bin.

 "Ich danke Euch, Meister, ich bin unwürdig."

 "Ach was, es war gar nicht so schlecht diesmal. Geruch und Geräusche hast Du gut maskiert, aber Deine Angst konnte ich noch immer spüren und natürlich war Dein Angriff viel zu ... materiell. Noch immer nicht hast Du die Erdkraft gemeistert, gehe und mache Deine Übungen."

 Als Krel gegangen war, wandte sich Daehsquinn wieder seinen Papieren zu, in denen aus fernen Ländern berichtet wird. Nur wenige Reaktionen auf das gelesene sah man ihn an, doch einmal war er deutlich verärgert. Er nahm eine Schreibfeder zur Hand und setzte den Namen 'Hadran' auf seine Liste.

 * * * * *

"Weißt Du was das soll, warum wir dies tun?"

 "Wir stellen an unser Reichsgrenze ein Schild auf, das wird schon einen Sinn

 haben."
 "Aber diese seltsame Aufschrift?"

 "Keine Ahnung, ich kann doch nicht lesen."

 "Ach ja, entschuldige bitte, ich vergaß."

 "Macht ja nichts, kann ja mal passieren."

 "Du bist ein echter Freund."

 "Und?"

 "Was und?"

 "Und was steht nun auf dem Schild?"

 "Zum Orakel hier lang."

 "Das ergibt keinen Sinn."

"Sag' ich doch die ganze Zeit."

 

 Adlermond 418 n.P.

 An meinen verehrten Herrscher Daehsquinn, Erster unter Vielen im Rat der Macht, Patriarch des Squinn-Stammes

 Heute erreichten Deine Heere, die zu kommandieren ich die Ehre habe, jenes Kap wo die Meere zusammenfließen und der Dämonensumpf endet. Obwohl wir hier dem Sonnenschleuderer näher sind als je zuvor ist, bleibt die Temperatur im normalen Bereich, daher habe ich mich, Deine Erlaubnis voraussetzend entschlossen diesen Ort 'Kap Sonnentrotz' zu nennen.
 möge die Große Mutter Dir zahlreiche Squäline schenken

 Tifrin, Patriarch des Scouf-Stammes

 * * * * *

Der Kapitän des Schmetterlings stand auf dem Achterdeck seines Schiffes und war zufrieden. Der Schmetterling war ein schönes Schiff und zusammen mit seinen Brüdern, das größte und modernste was in Calesia und den anderen Freibundländern zu finden war. Derzeit lag sein ganzer Stolz noch im Hafen von Gargova und wartete auf den Kommodore der Flotte, von dem der Kapitän den ersten Auftrag erhalten würde. Als Flaggschiff Calesias würde es die Meere durchpflügen und großen Ruhm erringen. Der Kapitän dankte Denfa, der Göttin des Glücks, dafür endlich wieder zur See fahren zu dürfen und dem Treiben dieser entsetzlichen Squärkin entkommen zu dürfen. Auf die Reling seines Schiffes klopfend, beschwor er sein Glück und vergaß dabei auch nicht, Cellu dem Gott des toten Holzes einen Gedanken zu widmen. Endlich kam der Kommodore und der Kapitän beeilte sich, ihn an der Planke gebührend zu empfangen.
 "Grüße, mein Kommodore Alantu, ein glücklicher Tag für uns und Cales unserem Schutzgott.'

 

 "Aber nur wenn Weder, die Göttin der Sicht, ihre Hand über seine Augen legt", erwiderte Alantu. "Seht, da kommt unsere Ladung."

 Mit Entsetzen sah der Kapitän zu, wie Tausende von Squärkin in den Hafen strömten und die Schiffe bestiegen.

 * * * * *

Fröhlich pfeifend lief Krel durch die Gänge Squärdalons. Er genoß es wie die anderen ihm neuerdings auswichen und die Furcht in ihren Augen erschien, wenn er sie direkt ansah. Allein Kraft seines Willens, schleuderte er jene aus den Weg, die Daehsquinns Stellvertreter zu nahe kamen oder den gebührenden Respekt versagten. Sein Meister hatte ihn viel gelehrt, doch nun war es Zeit auch auf eigenen Pfoten zu stehen.

 * * * * *

"Also Männer, ich erkläre es euch noch mal. Dies ist ein fremdes Land, es heißt Ordomar. Wir sind Gast hier, das bedeutet, wir werden uns so benehmen, wie es von uns gefordert wird. Die Haarlosen hier kennen unsere Sitten nicht und wir nicht die ihren, also seid vorsichtig und fragt mich bevor ihr irgend etwas tut. Eßt nur was man uns gibt und laßt ihre Frauen in Ruhe. Auch die Kinder sind tabu, die nötigen Opferungen werden wir nachholen, wenn wir wieder zu Hause sind. Wenn ihr jemanden mit weißen Fell auf dem Kopf seht, ist das noch lange kein Hexer, sondern er ist nur alt und zerbrechlich, ihr braucht ihm also keinen Respekt zu erweisen. Und noch etwas. Ich will, daß die Stammeszeichen ab sofort sorgfältiger gemalt werden, wir wollen doch den Haarlosen keinen Anlaß für Spott geben. Ihr seht aus wie ein Haufen Squäline und nicht wie die stolzen Vertreter der Squärkin bei den Spielen von Traedoch. Genug jetzt, Abmarsch!"

 * * * * *

Friek vom Rängun-Stamm der Dominant von Seeland saß gelangweilt auf seinem Stuhl und starrte aus dem Fenster. Religiöse Zeremonien, abgesehen von den Paarungsriten, hatten ihn nie interessiert und nun mußte er in diesem verfluchten neuen Tempel in seiner Domäne sitzen und den Einweihungsriten zuschauen. Und dann muß es ausrechnet ein Tempel für Anrash, den einheimischen Schutzgott, sein und nicht der wahre Gott des Meeres Kquerzel. Aber Daehsquinn hatte gesagt, daß es sich möglicherweise nur um eine fremde Anbetungsform desselben Gottes handele und es nicht schaden könne, sicher zu gehen, besonders wenn dieser Anrash tatsächlich Kquerzel sei.

 Vorne stand Naquan, der Küsten-Squärkin, die Hände in seinen Beutel gesteckt und leierte die mühsam auswendig gelernte Zeremonie nervös runter. Der alten Beutelratte war sich völlig im Klaren darüber, daß jeder der anwesenden hier mindestens doppelt so schlau war wie er, obwohl Naquan als der Klügste seiner Art galt. In der ersten Reihe saß ein Priester aus Chaladorn, der Solas Gobhot hieß, sowie seine zwei Begleiter. Auch wenn Friek nicht verstehen konnte, daß jemand wegen einer Tempeleinweihung Tausende von Längen reiste, hoffte er das die Fremden Gefallen an dem neuen Tempel fanden, denn möglicherweise hing die gute Nachbarschaft zu Chaladorn von deren Eindruck ab.

 Friek mußte jedoch zugeben, daß ihn der neue Tempel gefiel. Die Fenster konnten abgedunkelt werden, ohne den 'göttlichen Wind' völlig auszusperren. Es war auf jegliche Symmetrie verzichtet worden, wie es einem Chaosgott zustand und das ganze war in der blaugrünen Farbe des Meeres gehalten. Selbst eine Reliquie war vorhanden, die Knochen einer Jungfrau, die vor langer Zeit in einer heiligen Sturmnacht von einem Fischwesen geschwängert worden war.
 

 Katzenmond 418 n.P.

 In der Halle des Freibundes war es still, abgesehen von gelegentlichen nervösen Rascheln, Scharren oder Klopfen. Die Fürsten saßen unruhig auf ihren Sitzen, die Dominanten ruhig im Schatten der Nischen dahinter. Das Warten wurde schließlich durch Schritte im Gang vor der Halle und ein lautes Klopfen an der Doppeltür belohnt. Von draußen klang eine laute Stimme durch die Tür:
 "Ein Botschafter erbittet Einlaß in die Halle des Bundes!" ertönte die traditionelle Formel.

 "Der Freibund gewährt Euch Einlaß", antwortete Herzog Iljatu von Calesia ebenso traditionell für den Bund.

 Die Tür wurde von Wachen geöffnet und der Botschafter wurde eingelassen. Dieser war niemand anders, als Attrrich der Rtann von Llugg höchstpersönlich, gefolgt von seinem Dominanten Swaqu. Attrrichs Gesichtszüge waren ebenso festgefroren, wie die seines Erzfeindes Iljatu. "Was wünscht Ihr", fragte der Herzog eisig.

 "Auf Wunsch meines Herrschers, Daehsquinn vom Squinn-Stamm, Erster unter Vielen im Rat der Macht, ersuche ich für die Republik Llugg um Wiederaufnahme in den Freibund." Es war offensichtlich, daß der Rtann sich zu jedem Wort zwingen mußte.

 "Im Namen unseres Herrschers, Daehsquinn vom Squinn-Stamm, Erster unter Vielen im Rat der Macht, Großdominant des Freibundes, heißen wir die Republik Llugg in dieser Gemeinschaft freier Völker willkommen. Möge der Freibund wehrhaft blühen."

 * * * * *

Ein letztes Mal stand Tifrin am Kap Sonnentrotz und schaute auf das Meer hinaus. Hinter ihm hatte sein Heer das Taglager abgebrochen und war bereit zu marschieren. Auf denn, dachte der Patriarch seufzend. Der Weg heim nach Squärdalon war weit und der Winter nahe, vielleicht mußte man ihn in der neuen Feste Druvtondalon verbringen. Wenigstens waren die Heerscharen der Squärkin gut versorgt, denn Daehsquinn hatte in weiser Voraussicht eines harten Winters allen Heeren befohlen, überschüssige Lebensmittel zu sammeln und für die kalte Zeit zu horten. Wie Tifrin wußte, waren auch in Squärdalon großzügige Vorräte angelegt wurden und der Kräuter-Stamm hatte seine Wintergärten erweitert, so daß auch in der Heimat, der Hunger keine Opfer fordern würde. Dieser Teil des Sumpfes war nun vollständig unter Kontrolle der Squärkin und die Zeit des Umherziehens würde für die meisten Krieger-Stämme nach der Rückkehr nach Squärdalon oder bei Stationierung in einer der neuen Festen endgültig vorbei sein. Er würde dieses freie Len vermissen, dachte Tifrin, gab sich dann aber einen Ruck und das Signal zum Aufbruch.

 * * * * *

Alantu, der Kommodore der Ersten Flotte Calesias stand auf dem Achterdeck des Schmetterlings und war wütend. Zum erstenmal seit vielen Jahren verließen die Flotten des Freibundes wieder die eigenen Küstengebiete und Alantu hatte allerlei Vorsichtsmaßnahmen befohlen, um eine Annäherung an die ersehnten Küsten so gefahrlos wie möglich zu erreichen. Doch Vorgestern, in der zweiten Nacht der dritten Woche ihrer Reise, hatte sein ungeduldiger Stellvertreter die Fahrt nicht verlangsamt und schon war das Unheil passiert, fünf der Schiffe waren auf eine Sandbank gelaufen und mußten repariert werden. Doch wußten sie nun immerhin, daß das Ziel nahe mußte. Und tatsächlich, während der Kommodore noch grübelte, erscholl plötzlich die Stimme des Ausgucks und kündete Land am Horizont an. Während sich die Schiffe der Küste näherten, kam Srerress der Kommandant der Squärkin-Krieger an Deck und stellte sich neben Alantu an die Reling, um mit dem Kommodore den ersten Blick auf das neue Land zu teilen.

 Doch Alantu konnte lange vor den Nachtaugen des Squärkin Einzelheiten auf der grasbewachsenen, sturmgepeitschten Ebene, die vor ihm lag ausmachen. So sah er auch vor Srerress die bewaffneten Wesen dort umher huschen. Sie waren etwa vier Fuß große, hatten einen segmentierten Insektenkörper und Fühler. Insgesamt sahen sie aus wie riesige Armeisen, allerdings nur mit vier Gliedmaßen.
 Nun sah auch endlich der Squärkin die fremden Wesen. "Druven!", rief er erstaunt aus.

 

 * * * * *

Ein Squinn stürmte durch die Hallen des alten Palastes von Gargova in der Freibund-Domäne Calesia.

 "Patriarch, es gibt neue Befehle aus Squärdalon!"

 Track vom Hehl-Stamm schaute verärgert von seiner Mitternachtsmahlzeit auf. "Was gibt es denn, Schreiber?" "Daehsquinn befiehlt, denn Aufbau eines kleinen Heeres aus menschlichen Soldaten vorzubereiten, so daß der Freibund Angelegenheiten von geringer Bedeutung selbst erledigen kann."

 "Er will den Haarlosen Waffen geben?", fragte Track erstaunt. "Besteht denn da kein Risiko?"

 "Das Heer wird klein sein, kaum größer als jene, die eine einzelne Domäne vergeblich gegen uns aufbot. Außerdem werden einige Squärkin das Heer überwachen. Eigentlich dient das ganze nur dazu die Bevölkerung zu beruhigen, die nicht gerade glücklich über die ständige Anwesenheit unserer Krieger ist."

 "Gut, dann werde ich tun was möglich ist. Möge die Große Mutter Daehsquinns Weisheit gestärkt haben.

 * * * * *

"Vork!" rief der junge Vermittler seinem Patriarchen verblüfft hinterher. "Ich dachte Ihr seit unterwegs als Botschafter nach Aldowereiya."

 "Wäre ich auch fast gewesen", entgegnete Vork. "Doch es stellte sich heraus, daß meine Entsendung auf einem Irrtum beruhte. Daehsquinns Schreiber hat die Botschaft offen liegen lassen und so hat ihn einer der jüngeren Söhne unseres Herrschers in die Pfoten zu bekommen. Da er schon etwas Lesen und Schreiben konnte, hat er das Pergament studiert und die Korrektur eines Fehlers vorgenommen. Zumindest das was er für einen Fehler hielt und so wurde aus Kiomba ganz einfach Kiombael und ich hätte völlig umsonst diese furchtbare lange Reise unternommen."

 "Das ist ja furchtbar", ereiferte sich der jüngere Vermittler. "Es klang doch alles so wundervoll, ein Platz für Vermittler aus aller Welt!"

 "Tja, es wäre eine gute Idee gewesen, aber leider wollen die Völker dort mit ihren Streitigkeiten unter sich bleiben."

 * * * * *

Am Kalten Strand stand seit Jahrhunderten das Zentrum des Wogetischen Ordens, der Magier von Fiodora Iwed, die das Land seit Äonen mit eiserner Hand beherrschten. Im Inneren hielten die Meister der Magie Rat über die jüngsten Ereignisse. Gerade sprach der Meister der Jenseitigen Sphären:

 "Wir hatten ein paar harmlose Plünderer erwartet und nun kommen gewaltige Heerscharen, die sich zwar relativ gesittet benehmen, dafür aber offenbar zu bleiben gedenken. Wir können nun nicht länger warten, wir, der Wogetische Orden muß endlich persönlich eingreifen." Der Meister der Elemente nickt zustimmend. "Du mußt uns nun den Schlüssel geben, Allmeister."

 Der angesprochene Oberste des Ordens hatte sich in der ganzen Debatte bisher merklich zurückgehalten und eher für Zurückhaltung plädiert, doch nun waren seine acht Kollegen alle gegen ihn. Jetzt saß der alte Mann auf seinem Thron und dachte nach, während die Meister der acht magischen Disziplinen auf die Antwort des Allmeisters.

 "Lehre und führe uns, Allmeister!", unterbrach der Meister des Geistes die gespannte Stille.

 Der Allmeister seufzte und schaute seinen Kollegen nacheinander abschätzend in die Augen.

 "Meister ... Freunde", begann er schließlich. "Es ist an der Zeit euch in ein Geheimnis einzuweihen. Ich habe den Schlüssel nicht." Die Meister der Magie erstarrten als ihnen die Bedeutung dieser Aussage klar wurde. "Laßt es mich erklären", rief der Allmeister in die lauter werdende Runde. "Seit ewigen Zeiten beherrschen die Magier unser Land, doch gab es stets Streit zwischen unseren Vorfahren und beinahe hätten sie sich gegenseitig und auch die einfachen Menschen unserer Heimat in einem Krieg der Weisen vernichtet. Die letzte Chance ergreifend, machte Efar von Wegot, ein reicher Adliger und Besitzer dieser Burg den streitenden Parteien einen Vorschlag und so wurde unser Orden gegründet, das mächtigste Bündnis unter Zauberern, welches die Welt je gesehen hat. In ihm wurden die Streitigkeiten in geordnete Bahnen gelenkt und zunächst herrschte Frieden. Doch es kam zu neuen Kämpfen, diesmal unter einzelnen Fachrichtungen unser inzwischen zur Magierschule gewordenen Ordensburg. Es gab für unsere Vorfahren kee andere Möglichkeit als ihr Wissen zurückzunehmen. Um des Friedens willen lehrten die Meister nur noch theoretische Magie, wichtige und allgemeingültige Bestandteile der praktischen Ausführung wurde verschwiegen, bis ein Schüler einem der acht Meister nachfolgte. Doch unsere Vorfahren mußten erkennen, daß auch dies nicht ausreichte und so gaben auch die Meister ihr Wissen auf und nur dem Allmeister verblieb das Wissen zur Ausübung magischer Macht. Er behielt den Schlüssel und konnte im Falle der Gefahr für das Land oder den Orden seine Meister unterrichten. Doch vor sechs Generationen starb der Allmeister bevor er den Schlüssel weitergeben konnte und so herrschen die Allmeister der Magie über Fiodora Iwed ohne auch nur einen einzigen Zauber zu beherrschen."
 "Wir sind verloren", flüsterte der Meister des Körperlichen.

 "Noch bin ich der Herrscher dieses Landes und ich werde mit allen Mitteln versuchen es zu bleiben", bemühte sich der Allmeister den Meistern Mut zu zu sprechen. Doch in diesem Augenblick klopfte es an die Tür und ein unerwünschter Gast verschaffte sich ohne eine Antwort abzuwarten Einlaß.
 "Ich bin Magister Reque vom Squinn-Stamm und ich komme in Namen des Herrschers Squärdrumens und Herrn aller Squärkin Daehsquinn vom Squinn-Stamm, Eure Kapitulation einzufordern."

 Der Allmeister erhob sich, bemüht ein würdevolles Gesicht zu bewahren. "Sagt Eurem Herrn, daß der Wogetische Orden über dieses Land herrscht und mit magischer Macht jeden hinwegfegen wird, welcher wagt, dies in Frage zu stellen."
 "Mein Herrscher sah die Möglichkeit dieser Antwort voraus und so bat er mich in diesem Fall folgende Botschaft zu verlesen." Umständlich kramte der Squärkin in seinen Manteltaschen bis er schließlich eine Hautrolle herauszog und daraus vorlas. "Allmeister, Dein Mut ist größer als Deine Weisheit. Etrar kar benu ogdan!" Bei diesen Worten löste sich die Schlangenhaut in eine dunkle Wolke auf, die auf den Allmeister zu schoß und ihn umklammerte, bis er röchelnd zu Boden fiel. "Meister der Elemente, nach den Kenntnissen meines Herrschers seit Ihr der Nachfolger dieses Mannes. Daehsquinn erwartet eine neue Antwort. Für den Fall einer erneuten Ablehnung, habe ich eine Botschaft für Euch."

 Verzweifelt blickte der Angesprochene in die Runde seiner Kollegen und auch den noch immer sich am Boden wälzenden Allmeister. Die Angst ließ seine Stimme zittern, als er schließlich sprach:

 "Der Wogetische Orden sieht sich gezwungen die überlegene Macht Eures Herrn anzuerkennen, Fiodora Iwed gehört ihm."

 

Drachen- bis Wolfsmond 418 n.P.

 "Verdammt Krel, stör mich nicht!" wehrte Daehsquinn den wiederholten Kommunikationsversuch seines Assistenten ab.

 "Aber Herr, die neuen Berichte. Wir werden auch erwähnt!"
 "So? Dann zeig' mal her", antwortete der Herrscher Squärdrumens und riß seinem Assistenten die Schlangenhaut aus der Pfote. Sorgfältig studierte er die fremden Schriftzeichen.
 "Vielzahl! Sieh an, hätte nicht gedacht, daß unsere Flotte dieser Bezeichnung gerecht wird, aber vermutlich bringen die Haarlosen anderer Reiche nichts zustande ohne eine vernünftige Führung.

 "Chaladorn ist tabu, das sollte dieser Schreiberling eigentlich wissen, aber Iora ... Wo liegt Iora, Krel?"

 "Schaut hier auf die Karte, Herr." In weiser Voraussicht hatte Krel die Karte mitgebracht, die ein Priester aus Kanarys im letzten Jahr verlor, kurz bevor er im Sumpf versank.

 "Hmm, weit weg ist es wirklich nicht, scheint mir", murmelt Daehsquinn. "Vielleicht sollten wir tatsächlich mal vorbeischauen und Handelsbeziehungen aufbauen. Laß uns diesen bösartigen Gerüchten einen wahren Kern geben."

 * * * * *

An einem Winterabend im Einhornmond, waren nur zwei Frauen in der Bundeshalle des Freibundes. Während die jüngere sich flegelhaft auf die Tischkante gesetzt hatte und ein Brotstulle verzehrte, war die deutlich ältere emsig damit beschäftigt die Blutflecken vom Boden und einem Stuhl zu entfernen.
 "Dann hat es mit der Wiederangliederung Lluggs wohl nicht geklappt, was?" schmatzte die Junge.

 "Offenbar nicht, Kindchen, schließlich liegen euer Herzog und der Rtann von Llugg nun schwerverwundet in ihren Quartieren. Aber vielleicht wollte die Oberratte auch genau dies erreichen. Daehsquinn wußte sicher ganz genau, daß die beiden erbitterte Feinde sind und trotzdem zwang er Llugg in den Freibund, wie eine Katze in den Hundezwinger."

 "Und was passiert jetzt?"

 "Es heißt, Llugg verläßt den Freibund gleich wieder und soll verwaltungstechnisch mit den Ländern im Machairas vereinigt werden. Es war nur ein kurzes Gastspiel im Freibund, aber der Großdominant ist vielleicht auf einem Schlag zwei mächtige menschliche Fürsten losgeworden, ohne auch nur eine Pfote zu rühren."

 * * * * *

"Da lang!"

 "Ich denke es geht hier lang!"

 "Wo sind wir, Patriarch?"

 "Keine Ahnung, aber hier sind Berge, da kann Traedoch nicht mehr weit sein."

 "Wir haben uns verirrt!"

 "Ach wo, wir sind bald dort. Allzu viel Berge kann die Welt doch nicht haben. Schließlich hat die Große Mutter sie mit ihren Kindern für uns erschaffen, also wird sie weitgehend sumpfig sein."

 "Kommt schon, gleich sind wir oben."

"Ich fasse es nicht, auf dieser Seite sind noch mehr Berge. Schaut mal ein ganz großer!"

 

 Widder- und Falkenmond 419 n.P.

 Es war die erste Sitzung der Fürsten des Freibundes im neuen Jahr. Es lagen keinerlei wichtigen Dinge an und so wunderte es niemanden, daß der Fürst von Wolfenheim, anscheinend beschlossen hatte, auf die lange Reise zu verzichten.
 Nordan Reldan lag wie gewöhnlich mehr auf seinem Sitz und schien wie immer mit seinen Gedanken in weiter Ferne. Goldwyn von Mengstir erhob mal wieder Anspruch auf einen winzigen Streifen Land an der Grenze zu Seeland, ein Streit, der schon seit mehreren Generationen zwischen den beiden Ländern schwelte. Relaf von Urborg antwortete gewohnt laut und wortreich, gespickt mit so wunderschönen Worten, daß selbst Korfinia die Schamesröte ins Gesicht stieg. Iljatu, der Herzog von Calesia, saß stocksteif da und wartete auf das Ende der Sitzung. Seit seinem blutigen Streit mit dem Rtann von Llugg, hoffte der Mann nur noch auf einen baldigen Tod und bis dahin eine möglichst schmerzarme Zeit.

Es wurde still in der Halle als der Herold doch noch die Ankunft des Clanlords von Wolfenheim ankündigte. Zur Überraschung der sechs anwesenden Fürsten (ganz im Gegenteil zu ihren Dominanten), betrat jedoch nicht Groerf die Halle, sondern ein hochaufgeschossener, dünner Mann mit finsteren Zügen. Gekleidet war er in eine schwarze Priesterkutte und um den Hals trug er eine Kette mit einem Wolfssymbol. Gefolgt vom Dominanten Wolfenheims schlenderte er enervierend langsam um den Tisch, dabei jeden der anwesenden Menschen eingehend mit spöttischem Grinsen begutachtend, bis er schließlich den Platz erreichte, der in der Vergangenheit von Groerf besetzt wurde.
 "Ich bin Zarg. Ich bin seit kurzem Clanlord von Wolfenheim, nachdem mein geschätzter Vorgänger unerwartet verstarb."

* * * * *

Die Wettkampf Gruppe der Squärkin war nun schon lange Zeit in den unendlich erscheinenden Bergen Ordomars unterwegs. Vor einiger Zeit war man auf etwas gestoßen, das die Einwohner eine Straße nannten. Offenbar hatten die Menschen jahrelang Stein an Stein gereiht und so einen ganz normalen Weg befestigt, wenn sich auch keiner der Squärkin vorstellen konnte, wozu so etwas gut sein könnte. Für eine Wegmarkierung war es deutlich zu viel Aufwand und bei längeren Marschieren auf der Straße schmerzten die Füße.
 Meist liefen Wettkämpfer Squärdrumens neben den Steinweg. Im Falkenmond erreichte die Gruppe endliche Traedoch, die Stätte der Spiele in Ordomar. Durch den langen Winter war es zu dieser verspäteten Ankunft gekommen, aber zur Freude der Squärkin war der Beginn der Spiele verschoben wurden, und es gab nun reichlich Zeit die fremden Disziplinen kennenzulernen und zu üben.

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Markard kochte. Nun ja, noch nicht ganz, aber bald würde es soweit sein, denn die Küchenmädchen hatten gerade frisches Holz nachgelegt. Während die dritte Frau seines Patriarchen die Gewürzen in den Topf schüttete, überlegte Markard, ob er wohl völlig ausgekocht würde, oder nur bis er gerade gar war. Langsam wurde es unangenehm heiß im Topf und der Geruch der Suppe entsprach so gar nicht seinem Geschmack. Was hatte er sich damals gefreut, als Daehsquinn ihn zu seinem persönlichen Kartenzeichner ernannt hatte. Fein säuberlich hatte er aus den Berichten der Patriarchen und ihrer Schreibsquinns die geographischen Begebenheiten erschlossen und genauestens die Grenzen zu den großen Nachbarreichen Chaladorn und Ordomar eingezeichnet. Doch mit der Einzeichnung der Flüsse hatte er gezögert, konnte sich nicht entscheiden, welche Farbe zu wählen sei. Sollte er das bei Wasser traditionell übliche Blau benutzen oder doch eher ein Grau-Braun, welches mehr dem realen Aussehen der schlammigen Ströme entsprach. Schließlich tte er sich für Blau entschieden, aber bei all der Grübelei über dieses schwerwiegende Problem doch tatsächlich einen Fehler beim Verlauf des Relon gemacht. Unverzeihlich hatte er selbst gedacht doch sein Patriarch war zunächst mit einem Schnurrbartkräuseln drüber weggegangen. Doch dann hatte er auf der neuesten Karte die Grenze zu Ordomar anders eingezeichnet als zuvor und nun konnte niemand mehr mit Sicherheit sagen, ob das Gebiet nun noch zum Imperium gehört oder aber womöglich schon seit Jahren auch von Ordomar beansprucht wurde. Die Lage war höchst verwirrend, aber Daehsquinn hielt die Zeit für ein Bauernopfer gekommen und da kam die Opferungssuppe zur Tag- und Nachtgleiche gerade recht.

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Srerress saß in einem Zelt, während der Regen, der auf dieser Insel wohl niemals endete, auf die Wände prasselte. Das Prasseln konnte jedoch nicht die seltsamen Geräusche im Inneren übertönen. Klicken, Kratzen, Zirpen und diverse andere Laute bildeten die Sprache in der die anderen Anwesenden sich unterhielten.
 Der Patriarch war seit der Landung auf der Insel aus dem Staunen nicht herausgekommen. Diese Druven waren so völlig anders, als jene die im Ophis des Hab-Waldes lebten. Lebten dort auf dem Festland Druven, die wie halbe Tiere lebten und auch von entsprechend niedrigem Verstand waren, hatten die hiesigen Druven eine recht hohe Intelligenz und hatten in ihrer isolierten Lage eine hohe Kultur entwickelt.

 

Irgendwann ließen sich ein paar der Druven dazu herab Srerress in ihr Gespräch mit einzubeziehen und wechselten zur Sprache der Menschen, die sie leichter erlernten als jene der Squärkin mit ihren zahlreichen Zischlauten.
 So arrogant die Anführer der Hochdruven sich auch gaben, brauchte Srerress nur beiläufig die neuen Steuern für Squärdrumen andeuten und schon waren die Druven ruhig, denn gegen die militärische Übermacht der Squärkin kamen sie trotz ihres Verstandes und ihrer hochentwickelten Kultur nicht an.

 

 Wolfsmond 420 n.P.)

Daehsquinn saß auf seinem Thron in der Mittelhalle und hörte sich die Reden der Patriarchen an. Viele wollten nach dem Bürgerkrieg die Machtverteilung in den Domänen und beim Heer ändern und stritten schon seit Stunden um die zahlreichen Posten. Daehsquinn hatte sich schon längst mit seinen engsten Verbündeten besprochen und seine Entscheidungen gefällt, daher war die Sitzung für ihn ohne Belang und er langweilte sich zu Tode. Nach kurzem Nachdenken, nahm er angesichts der vergangenen Ereignisse, die letzte Formulierung zurück und beschloß sich einfach nur schrecklich zu langweilen. Vielleicht war es an der Zeit für ein kurzes Nickerchen.

 Der Patriarch am Rednerpult müßte inzwischen eigentlich daran gewöhnt sein und trotzdem verlor er für einen Augenblick völlig den Faden, als sein Herrscher völlig unvermittelt aufstand und die Halle, begleitet von seinen Wachen, verließ. Doch der Redner fing schnell wieder und setzte seine Selbstbeweihräucherung fort, in der Hoffnung seine Position verbessern zu können, nichts ahnend, daß längst beschlossen war, so weit möglich alles beim alten zu belassen.

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Zarg war nun schon zwei Jahre der Clanlord von Wolfenheim, seit damals Groerf in seinem Bett getötet worden war. Für ihn kam das damals weniger überraschend, als für den Rest der Wölfe, seine Kontakte nach Squärdalon waren schon damals sehr gut gewesen. Unter Zargs Führung war die Domäne im Bürgerkrieg dann auch den Squärkin treu geblieben und hatte sich gegen die anderen Freibund-Mitglieder gestellt. Reldan war wie üblich neutral geblieben, doch der Rest des Bündnisses wollte die Gelegenheit nutzen und das Rattenjoch abschütteln, so lange sich die Squärkin noch gegenseitig abschlachteten. Es kam wie von Zarg erwartet und die Ratten-Heere kamen bald wieder zurück und bereiteten der Rebellion ein brutales Ende.

 Auch sonst hatte sich Wolfenheim seit seiner Machtübernahme geändert. Seit Jahrhunderten hatten die Wölfe unter der Schwäche des vorherrschen Borgon-Glaubens gelitten, doch Zarg hatte seinem Volk wieder das Raubtier im Wolf offenbart. Stärke und Zusammenhalt waren die obersten Prinzipien seines Volkes geworden und er war der Leitwolf, der oberster Schamane seines Gottes Xatan.

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Die Flotte war in einem kalten Meer auf dieser Welt erschienen, was den Hyteren gar nicht gefiel, aber sie auch nicht umbrachte. Sorem Törsenomm stand am Bug des Flaggschiffes und wartete gespannt auf die Sichtung von Land, das irgendwo in der Nähe sein mußte, wenn man den Möwen glauben durfte.

 Als das Land dann in Sicht kam, war Sorem mehr als erstaunt. Nie zuvor hatte er in einem derart kalten Gewässer etwas gesehen, daß ganz nach einem tropischen Inselparadies aussah. Und nun schob sich vor ihm ein ganzer Archipel solcher Inseln aus dem Meer. Blaue Lagunen, weiße Sandstrände und diese gesäumt von Palmen, ergaben ein herrliches Bild.

 Weniger herrlich erwiesen sich die Bewohner der Inseln. Auf mehreren Inseln hatte sich eine Armee von humanoiden Ratten niedergelassen und begann bereits damit sie zu verunstalten.

 Die Hyteren baten mich Kontakt mit den fremdartigen Kriegern aufzunehmen und mit viel Mühe gelang es mir, dem Anführer der Ratten, ein großer schwarzfelliger Kerl namens Sreress, ein gutes Angebot zu entlocken. Die Hyteren durften sich vorläufig auf dem Archipel niederlassen und nach einem Jahr entscheiden, ob sie dem Reich der Ratten, die sich selbst Squärkin nannten, beizutreten oder sich eine neue Heimat zu suchen.

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Cherm freute sich wirklich sehr auf die neue Aufgabe, die ihm Daehsquinn übertragen hatte. Zumindest bis ihm jemand erzählte, wie sein Vorgänger geendet war. Markard hatte bei seine Karten einen Fehler zu viel gemacht und als diese zu außenpolitischen Verwicklungen führten, landete der verantwortliche Kartenzeichner im Kochtopf. Natürlich konnte auch Cherm Fehler nicht grundsätzlich ausschließen, aber als Suppe zu enden sollte keine Option für ihn sein. Daher beschloß er von nun an regelmäßig einen Blütensalat zu essen. Diese bunten Pflanzenteile stanken nicht nur fürchterlich, sondern verdarben auch für einige Zeit den Geschmack eines Squärkin.

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Der einsamste Herrscher Squärdrumens stand am Fenster seines Palastes und sah zu wie zahlreiche Schiffe Kap Licht rundeten und in den Hafen einliefen. Daher waren also so viele Squärkin in Neu-Nyrngor. Rokhan betete zum Schöpfer, das die Einschiffung schnell geschah und die Stadt bald wieder frei von Rattenkriegern war. Nachdem die Rebellion gescheitert und seine Familie von den Squärkin getötet worden war. Hatten sie ihn zum König gemacht, doch er wußte, daß er nur eine Marionette war. Aber in Squärdalon hatte er in dem neuen Glauben neue Kraft gefunden und so hatte er sich den Ratten untergeordnet, um in seiner neuen Position seinem Volk helfen zu können. Mochten auch die Squärkin seine Schwester, die Königin Lumeyna IV, in ihren Folterkammern in Squärdalon ermordet haben, eines Tages werden die Ratten vernichtet und Neu-Nyrngor wieder frei werden. So hatte es der Prophet verkündet und Rokhan konnte auf diesen Tag warten.